Herr Fedrigoni bezeichnet es als «gute Sache», dass er zusammen mit seiner Frau und den beiden Töchtern vor 40 Jahren eine 4-Zimmer-Wohnung im Iselin-Quartier beziehen konnte. «Sie war gross und meine Frau überaus zufrieden damit», erinnert er sich mit einem Schmunzeln. Die ersten 22 Jahre hatte er zudem die Stelle als nebenamtlicher Hauswart inne. So wurde er täglich mit den Anliegen der anderen Hausbewohnerinnen und -bewohner konfrontiert, was bisweilen anforderungsreich war, wie er durchblicken lässt.
Der Sammler
Rendez-vous No. 13
Dienstag 09. Januar 2024
Seit 40 Jahren wohnt Italo Fedrigoni in unserem schlichten Wohnhaus im Ettingerhof 2 an der Grenze zu Allschwil. Zunächst lebte er mit seiner Familie in einer 4-Zimmer-Wohnung im Parterre, jetzt wohnt der Witwer einen Stock höher. Er erklärt: «Ich will so lange wie möglich hierbleiben.»
Bevor er weitererzählt, steht der 81-Jährige auf und verschwindet in seiner Küche, um mir einen Kaffee und Panettone zu offerieren. Anschliessend berichtet er davon, wie er als 17-jähriger Bauernsohn aus dem Südtirol in die Schweiz gezogen ist. «Ein Cousin hatte mir einen Job in einer Bäckerei in Ettingen beschafft.» Das Schicksal wollte es, dass er bei dieser Arbeit auch seiner späteren Frau begegnete. «Sie kam öfters in unseren Laden, gesprochen haben wir uns damals aber nie.» Das private Glück musste sich noch ein wenig gedulden.
Alles für die Familie
Nach der Gründung einer eigenen Familie übte Herr Fedrigoni während zwölf Jahren parallel gleich zwei Jobs aus. «Denn mir war es wichtig, dass meine Frau nicht arbeiten gehen musste.» Also war er morgens als Bäcker/Konditor tätig und nachmittags als Magaziner. Dazwischen gönnte er sich eine Siesta. Entsprechend lang waren seine Arbeitstage, was er gerne in Kauf nahm, um seinen Liebsten jedes Jahr bis zu vier Wochen Ferien in Süditalien zu ermöglichen.
2019 durchlebte er sein schwierigstes Jahr: Innerhalb von bloss sieben Monaten musste er von fünf Familienangehörigen Abschied nehmen. Nicht nur verlor er seine Frau, sondern auch eine seiner beiden Töchter, zwei Brüder und einen Schwager. «Das war ein ganz trauriges Jahr, und ich weiss nicht, wie es mir gelungen ist, es zu überleben», räumt er ein. «Ich habe gebetet, dass Gott mir in dieser schwierigen Zeit beisteht. Und ich denke, das hat er auch getan.» Geholfen hätten ihm zudem gute Kollegen, seine andere Tochter und die beiden Enkelkinder. «Ich fühle mich unterstützt und unterdessen bin ich auch wieder glücklich.»
Schrebergarten zur Erholung
Obschon seine Gesundheit seit einigen Monaten ein bisschen zu wünschen übrig lässt, ist er unverändert fast jeden Tag in seinem Schrebergarten anzutreffen. «Wenn ich Holz spalten oder Gemüse und Früchte ziehen kann, dann ist das für mich die reinste Erholung», betont er und verweist auf seine kräftigen Hände, die zeigen, dass er körperliche Arbeit gewohnt ist. Für den Weg zum Garten nimmt er sein Elektrovelo. Dieses nutzt er auch dazu, um im nahen Ausland einzukaufen. «Innert vier Jahren habe ich damit 28'000 Kilometer zurückgelegt», weiss er.
Ebenso wenig missen möchte Herr Fedrigoni sein Auto, einen BMW. «Bis nach Italien fahre ich seit letztem Jahr nicht mehr damit. Alleine getraue ich mich das nicht länger. Doch bis in den Schwarzwald, das klappt weiterhin wunderbar», konstatiert er. Früher ging er im Grenzgebiet auch gerne wandern, nun bevorzugt er das Pilzesammeln – gemeinsam mit einer guten Bekannten. «Als passionierter Koch bin ich vor allem auf der Suche nach Steinpilzen, Eierschwämmli und Totentrompeten», berichtet er und hält fest, dass ihm dieses Hobby bislang noch nie Bauchschmerzen beschert habe.
Taschenuhren und Pendulen
Im Wohnzimmer des gut gelaunten Rentners lässt sich unschwer ein weiteres Steckenpferd von ihm ausmachen: An den Wänden prangen nicht nur diverse Pendulen, sondern auch gut und gerne neunzig Taschenuhren. Begonnen hat diese Leidenschaft vor einem Vierteljahrhundert – mit drei geschenkten Exemplaren. Über die Jahre gesellten sich zusätzliche Zeitmesser dazu. «Und alle sind sie funktionstüchtig», sagt er stolz. «Viel Geld habe ich gleichwohl nie in die Taschenuhren investiert. Wenn sich eine gute Gelegenheit ergibt, dann schlägt der Fanatiker in mir zu.» Weil ihm die Sammlung sehr am Herzen liegt, hat er diesbezüglich bereits vorgesorgt: «Erben wird sie mein Schwiegersohn.»
18 Jahre ist es her, dass er seinen Job als Hauswart an den Nagel gehängt hat und zusammen mit seiner Frau ein Stockwerk nach oben, in eine geräumige 3-Zimmer-Wohnung, eingezogen ist. In dieser lebt er bis heute und fühlt sich darin wohl und zuhause. «Ich habe noch nie daran gedacht, von hier wegzuziehen. Und das wird auch so bleiben, solange ich die Treppe hochkomme», hält er mit Nachdruck fest.
Sehr gerne möchte er nochmals seine verbliebene Schwester und die alte Heimat im Südtirol besuchen. Weshalb er mit einem seiner Nachbarn im Haus, einem jungen Koch, vereinbart hat, dass sie 2024 gemeinsam nach Italien reisen werden. Darauf freut sich Herr Fedrigoni bereits heute.