Natascha ist ein Bauchmensch. Sie macht einfach mal. «Ich mach das, was ich für richtig halte. Und es funktioniert.» Und nach einer mikrokurzen Überlegungspause fügt sie hinzu: «Eigentlich immer.» Genau eine solche Bauchentscheidung war der Schritt, als selbständige Hochzeitsdesignerin durchzustarten.
Rosa, aber krass
Rendez-vous No. 9
Dienstag 30. November 2021
Rosa in allen Nuancen, Barbies und Kerzen lassen Natascha Spiekermanns Herz höher schlagen. Genauso wie Hochzeiten. Während sie privat in einer Überdosis Mädchentraum schwelgt, kreiert sie beruflich kitschbefreite Hochzeitskonzepte. Im Silo auf Erlenmatt Ost hat die norddeutsche Gestalterin den passenden Raum für ihr Unternehmen «Rosepepper» gefunden.
Wie alles begann
Hamburg im Sommer 2017. Natascha engagierte sich bei der Hochzeit einer guten Freundin und stürzte sich Hals über Kopf in die Aufgabe. «Alles andere war mir total egal. Mein Job als Stylistin hat mir keinen Spass mehr gemacht. Meine Freunde waren nicht mehr wichtig. Es gab nur noch diese Hochzeit. Als alles vorbei war, hatte ich voll die Krise.» Das merkte auch ihre Freundin und fragte sie, warum sie sich in dem Business nicht selbständig mache. Für Natascha war der Fall schon fast klar. «Ich musste ein bisschen überlegen, wie ich gut vermitteln kann, was ich anbiete. Denn ich kümmere mich nicht um das Organisatorische einer Hochzeit. Ich gestalte Farben, Formen, Stimmungen und Looks. Ich bin Weddingdesignerin. Dieser Job war bei uns vor fünf Jahren noch total unbekannt.»
Keine Hürde zu hoch
Das hat Natascha aber nicht davon abgehalten, voll durchzustarten. Und es hat funktioniert, wie eigentlich immer. Sie hat eine beachtliche Summe Geld investiert und Material gekauft. Doch dann kam Corona – und es passierte gar nichts mehr. Keine Feierlaune, keine Hochzeiten, keine Aufträge für Natascha. Trotzdem hat sie weitergemacht. «Ich habe an der Website gearbeitet, online Bastel-Seminare angeboten, aufgeräumt. Alles, was mich abgelenkt hat. Das hat mir geholfen. Und um mich finanziell über Wasser zu halten, habe ich Kinder gehütet. Denn ich wollte nicht zurück in eine Anstellung, die mich unglücklich macht.» Wenn alles gut läuft, dann designt sie nächstes Jahr mindestens zehn Hochzeiten. Damit hat sie ihr Jahresziel zur Hälfte schon erreicht. Eine ganz besondere kommt noch hinzu: ihre eigene. Natürlich konsequent in Rosa, Flieder und Hellblau gehalten.
Bei den Aufträgen kann Natascha ihren Rosafimmel natürlich professionell im Zaum halten. Sie sagt: «Ich liebe Farben! Eigentlich alle. Das besondere an meiner Arbeit ist, dass ich die Paare persönlich kennenlerne und daraufhin ein Konzept kreiere, das ihnen und ihren Wünschen entspricht. Die Umsetzung geschieht immer aus einer Kombination von schlichtem Design und viel Liebe zum Detail. Manchmal sitze ich hier stundenlang am Tisch und wickle so’n olles Band um jede einzelne Einladung.»
Glücklich im Silo
Im August 2021 hat die Gestalterin ihr Zuhause in Basel und Platz für Lagerräume und ein Atelierbüro im Silo auf Erlenmatt Ost gefunden. Sie schwärmt: «Es ist einfach toll. Weil mich hier nichts drückt, nichts beschwert. Auf dem Sims des grossen, runden Fensters mache ich meinen Mittagsschlaf. Und wenn ich mal ein bisschen Menschen um mich brauche, gehe ich runter und trinke einen Kaffee. Zu wissen, dass neben mir noch viele andere Menschen arbeiten, tut gut.» Auch die Einrichtung ihres Ateliers ist konsequent in Rosa gehalten. «Ich kann mich an der Farbe einfach nicht satt sehen», meint Natascha gleichermassen ratlos wie freudig. Und während mein Blick kurz an dem Barbiekopf hängenbleibt, der die Wasserkaraffe verschliesst, sprudelt es aus ihr heraus: «Das beste hier ist aber nicht mein Büro, sondern der Keller. Ich habe drei Lagerräume, und sie sind mein ganzer Stolz!»
Die Nutzung der Räumlichkeiten im Silo hat Nataschas Lebensqualität gesteigert. Arbeitsort und Zuhause sind nun voneinander getrennt. «Vorher hab ich daheim Seifen und Kerzen gegossen und Pralinen gemacht. Ständig war alles voll von meinem Zeug, und es fiel mir manchmal schwer abzuschalten. Das ist jetzt viel besser.» Trotzdem füllt Natascha ihre freie Zeit mit Hochzeiten und allen verwandten Themen. Wenn ihr Freund mal weg ist, kann sie problemlos sechs Stunden Datingshows und Hochzeitsdokus ankucken. «Ich habe keine Hobbies. Bei mir gibts nur Hochzeiten.» Und während sie das sowohl mir wie sich selbst eingesteht, funkeln ihre Augen vor Leidenschaft.
Text
Viviane Herzog
wortgewandt.ch
Fotos
Michael Fritschi
foto-werk.ch