Das Kammermusikzimmer Rendez-vous No. 12

Als einer der ersten ist Marco Scilironi ins neugebaute Musikwohnhaus 2 auf dem Lysbüchel Süd eingezogen. Noch stehen überall Umzugskartons herum und sein Flügel wartet auf die Ausreise aus Italien, doch der Pianist ist restlos begeistert: In seinem schallgedämpften Musikzimmer kann er all die Kammermusikprojekte verwirklichen, für die er brennt.

 

 

In seiner Ein-Zimmer-Wohnung im 4. Stock gibt es noch nicht viel zu sehen, sie ist auch nicht das Wichtigste. Was für Marco Scilironi zählt, ist das Musikzimmer im 3. Stock: sein Schatz, sein lang ersehnter Raum, sein Luxus. Zweieinhalb Monate nach seinem Einzug strahlt er immer noch vor Begeisterung und Dankbarkeit, als hätte er soeben sein grösstes Geschenk unter dem Weihnachtsbaum ausgepackt.

 

Tatsächlich erfüllt sich damit ein tiefer Wunsch: Nicht nur, dass er hier dank der Schallisolation rund um die Uhr üben kann. Er hat Platz für den grossen, schönen Steinway-Flügel, den sein Vater in Padua bereits vor mehreren Jahren für ihn gefunden hat. Und: Der Raum ist mit seinen 28 Quadratmetern gross genug für eine Kammermusikformation. «Endlich können wir hier gemeinsam proben und intensiv an einem Konzertprogramm arbeiten», beschreibt der Pianist sein Glück. Die schwierige Suche nach Proberäumen entfällt, ebenso deren Miete, die einen Teil der Projektgelder frisst. «Nun kann ich meine Kolleginnen und Kollegen aus ganz Europa hierher einladen.» Für die Unterkunft wird er auch Lösungen finden, kein Problem. Schon am dritten Tag nach seinem Einzug hat er einen Musikerkollegen beherbergt, Kartons hin oder her. Der bald 40-jährige Italiener ist unkompliziert und teilt gerne.

Verflixte Elfenbeintasten

Zurzeit stehen zwei kleine Flügel und ein Tafelklavier aus dem späten 18. Jahrhundert im Musikzimmer. Letzteres hütet Marco für eine Musikerin, die selbst keinen Platz dafür hat. Bald werden die beiden kleinen Flügel dem grossen von über zweieinhalb Metern Länge weichen – sobald die Sondergenehmigung für die Einfuhr der Elfenbeintastatur eingetroffen ist. Marco erklärt: «Wegen des CITES-Gesetzes braucht es ein Zertifikat für den Export. Mit diesem Zertifikat kann ich das Zertifikat für den Import in die Schweiz beantragen, und erst mit beiden Zertifikate kann ich den Transport organisieren…» Das Washingtoner Artenschutzabkommen CITES schützt wild lebende Tiere vor illegalem Handel – und damit auch Elefanten vor Wilderei aufgrund ihrer Stosszähne aus Elfenbein.

Rund um die Instrumente stehen Zügelkartons mit Fachliteratur, CDs und Schallplatten. Auf den Flügeln liegen Noten, darunter auffällig viele von George Enescu. Marco lacht: «Ich bekenne, dass ich gerade in der Enescu-Phase bin! Die Vielfältigkeit dieses rumänischen Komponisten fasziniert mich. In der Universitätsbibliothek habe ich zum Glück Noten von ihm finden können, die sonst fast nicht zu bekommen sind.» Der leidenschaftliche Kammermusiker liebt es, zu recherchieren, den zeitlichen und musikalischen Kontext einer Komposition zu ergründen, tief einzutauchen in einen musikalischen Kosmos. So kommen seine Kammermusikprogramme zustande, die er Festivals und Konzertveranstaltern in ganz Europa anbietet.


Freischaffend und angestellt

Diese Arbeit stellt aber nur einen Teil seiner beruflichen Tätigkeit als Musiker dar, wenn auch einen sehr wichtigen. «Es ist ein grosses Patchwork», erklärt er. Neben seiner freischaffenden Tätigkeit gibt es den Teil an der Hochschule für Musik Basel. Dieser gliedert sich wiederum in mehrere Teilchen: Zum einen hat Marco ein kleines Pensum als Korrepetitor, das heisst, er begleitet Studierende – vor allem Streicherinnen und Streicher – im Unterricht am Klavier. Eine anspruchsvolle Arbeit, die er liebt. Zum andern organisiert er die Meisterkurse für Kammermusik: Er lädt die berühmten Gäste ein, welche die Dozierenden auswählen, betreut sie während ihres Aufenthalts in Basel, koordiniert die Teilnahme der Studierenden und macht die ganze Terminplanung. Auch diese Arbeit liebt er. «Sie bringt mich in nahen Kontakt mit unglaublich tollen Musikerpersönlichkeiten, dieses Jahr zum Beispiel mit Steven Isserlis, Robert D. Levin und Tabea Zimmermann.»

 

Damit nicht genug: Er plant und begleitet die Konzerte der Studierenden in drei Basler Altersheimen. Auch das findet er hochspannend, noch mehr aber das vierte Teilchen: den Wahlkurs für Duos (Klavier und Streicher), den er zusammen mit dem Geiger Antonio Viñuales Pérez unterrichtet. Die Begeisterung blitzt jetzt aus seinen Augen, und die Leidenschaft für die Musik, für das Unterrichten, für die Interaktion in der Kammermusik ist mit Händen zu greifen.

 

Musikwohnhaus 2 auf dem Areal Lysbüchel Süd

Text

Claudia Bosshardt

wortgewandt.ch

 

Fotos und Film

Michael Fritschi

foto-werk.ch



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