Die Athletin
Rendez-vous No. 14

Ein hoher Raum, eine Spiegelwand, fünf Stangen: Das ist Kim Gartmanns neu eröffnetes Studio für Pole Sport in Erlenmatt Ost. Hier gibt die junge Frau Kurse und coacht Athletinnen und Athleten aus der ganzen Schweiz. Hier trainiert sie aber auch selbst mit grosser Leidenschaft, um im Oktober zum achten Mal an der Weltmeisterschaft dieser relativ neuen Sportart teilzunehmen.

Mit Stolz zeigt sie mir das Studio, das sie selbst geplant und eingerichtet hat. Die Profisportlerin ist nämlich auch studierte Architektin und arbeitete bis vor acht Monaten in diesem Beruf. Sie schwärmt vom warmen Boden, den sie selbst verlegt hat, und von der guten Energie im Raum. Wir sitzen auf den blauen Matten, die ihre Sprünge und Stürze abfedern sollen.

 

Schon vor einigen Jahren begann sie, ein grösseres Studio zu suchen. «Als ich im Internet die Fotos dieses Raums sah, fühlte ich: ein Traum! Gleichzeitig dachte ich: nicht realistisch, zu teuer, bestimmt habe ich keine Chance.» Trotzdem besichtigte sie den Raum und reichte einen kleinen Businessplan ein. Ein zweites Treffen folgte – und sie bekam den Zuschlag. Noch immer staunt sie über ihr Glück und freut sich.

Elffache Schweizermeisterin

Kim Gartmann ist in der Szene des Pole Sports bekannt: Elfmal hat sie die Schweizermeisterschaften gewonnen und zweimal Bronze an den Weltmeisterschaften. Sechsmal war sie unter den Top Ten der Welt. Einen Weltrekord hat sie übertroffen. Jetzt trainiert sie für die nächste Weltmeisterschaft in Uppsala, Schweden. Sie ist vollmotiviert – nachdem sie vor einem Jahr fast alles hingeschmissen hätte. Wie kam es dazu?

 

Kim arbeitete Teilzeit als Architektin und trainierte in der restlichen Zeit. Die Ferien verwendete sie, um an Wettkämpfen in der ganzen Welt teilzunehmen (notabene auf eigene Kosten), auch Preisgelder werden keine ausbezahlt, was sich vielleicht ändert, wenn Pole Sport demnächst von Swiss Olympic anerkannt wird.

 

«Acht Jahre lang hatte ich keine Ferien. Ich war erschöpft und hatte keine Kraft mehr.» Sie war drauf und dran, alles aufzugeben. Mit dem neuen Studio und mit ihrer Kündigung der Teilzeitstelle wendete sich das Blatt. Sie hatte mehr Zeit fürs Training, musste nicht mehr von der Arbeit ins Studio hetzen, alles entspannte sich. «Es war die richtige Entscheidung», sagt die 34-Jährige, auch wenn damit viel Risiko verbunden ist. Sie kann gerade so von ihren Workshops und Coachings leben. Bald wird sie eine Webseite gestalten, die hoffentlich mehr Interessierte ins Studio führt.

Vom Kunstturnen zum Pole Sport

Kim war schon immer ein Bewegungsmensch. Als Kind begann sie mit Kunstturnen und Reiten. Nach einem Unfall am Fuss wechselte sie ins Geräteturnen. Während des Architekturstudiums in Fribourg hörte sie mit dem Sport auf – nach den Kursen bis tief in die Nacht war neben Prüfungsvorbereitung Entwerfen und Modellbauen angesagt. Doch der Sport fehlte ihr. Beim Surfen im Internet entdeckte sie ein Foto einer Pole Dancerin kopfüber im Spagat. Sofort war sie fasziniert. «Ich sah den Rainbow Marchenko, eine Figur, die ich immer noch liebe», berichtet sie. Sie ging der Spur nach, begann mit dem neuen Sport, war begeistert und fing ab 2016 an, regelmässig zu trainieren. In nur drei Jahren stieg sie steil die Stufen Amateur, Profi, Elite hoch. Das brachte ihr nicht nur Bewunderung, sondern auch Neid ein. Es folgten Wettkämpfe und Siege. Seit 2019 ist sie in der Schweiz ununterbrochen an der Spitze.

Stürzen und wieder aufstehen

Die Schattenseite: An der Spitze ist es einsam. Kim erzählt, dass sie sehr oft alleine trainiert. Sie entwickelt ihre Choreografien allein, bringt sich neue Figuren allein bei, filmt sich selbst, um die Figuren zu korrigieren, stürzt 15-mal, bis ein Sprung vielleicht gelingt. Es klingt nach sehr harter Arbeit. Manchmal klopfen kleine Kinder aus der Siedlung ans Fenster, dürfen hereinkommen, bei einer Choreografie zuschauen und selbst ein paar Minuten an den Stangen turnen. In der Schweiz gibt es niemanden, der Kim noch etwas beibringen könnte. Coachings im Ausland sind aufwendig und teuer. Seit kurzer Zeit trainiert Kim gelegentlich mit einem international tätigen russischen Kollegen, was sie vorwärtsbringt. Sie brennt für diesen Sport, liebt die Akrobatik, die Kombination von Kraft und Beweglichkeit und insbesondere die Flips, also die Sprünge.

 

«Mir wurde nichts geschenkt in meiner Karriere», stellt Kim Gartmann nüchtern fest. «Ich musste immer kämpfen.» Dann lacht sie ihr schönes Lachen: «Ausser mit diesem Raum. Da hatte ich Glück.» 

 

Signalstrasse 27, 4058 Basel
 

Text

Claudia Bosshardt

wortgewandt.ch

 

Fotos & Videoclip

Michael Fritschi

foto-werk.ch

 

Kontakt

www.kim-polesport.com

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