Glücklich auf 37 m²
Rendez-vous No. 15

Greta Harbrecht lebt in einer Minimaisonette im Hinterhof unseres Wohnhauses an der Sperrstrasse 91. Über die Jahre hat sie sich nach und nach verkleinert – zuerst aus finanziellen Gründen, dann aus freien Stücken. Denn: Reduktion empfindet sie als Befreiung. 

Als wir uns treffen, ist Greta gerade erst aus Norwegen zurückgekehrt – von einer grossen Reise mit dem Fahrrad quer durch das Land. Reisen ist ihre grosse Leidenschaft neben dem Schreiben (davon später mehr). Jeden zweiten Sommer packt es sie, und sie muss mit Fahrrad und Zelt in den Norden, um wochenlang alleine durch weite Landschaften zu fahren.

Nullachtfünfzehn geht hier nicht

Eingezogen im Mai 2024, anschliessend auf grosser Reise – da kann das neue Zuhause noch nicht wohnlich sein, wenn die Interviewerin und der Fotograf auftauchen. Ausserdem lässt sich diese Tinywohnung mit ihrer speziellen Raumhöhe auch nicht so schnell einrichten, denn normal grosse Möbel passen schlicht nicht rein. «Ich will vieles selber bauen», erklärt Greta. «Es muss clever sein, also Möbel zum Rausziehen zum Beispiel. Sie müssen möglichst multifunktional sein. Meine Idee ist, alte Möbel aus der Brockenstube umzubauen.»

 

Schliesslich darf der Fotograf doch noch ein paar Innenaufnahmen machen, zum Beispiel von ihrem Schreibtisch im oberen Stock, wo Greta an ihrem nächsten Buch schreibt.

Immer kleiner

«Mit meiner Familie lebte ich auf grossen Fuss, auf 160 Quadratmetern», erzählt die quirlige Frau. Nach der Scheidung zog sie mit ihrer Tochter aus finanziellen Gründen in eine normale Dreizimmerwohnung. Als die Tochter auszog, verkleinerte sie sich nochmals, diesmal freiwillig. Und jetzt der Schritt in die Miniwohnung. «Am liebsten würde ich in einem Tinyhaus wohnen, aber das ist in Basel unmöglich. Und am allerliebsten in einem Hausboot.» Die Minimaisonette kommt ihrem Traum sehr nahe.

Die Reduktion lernte Greta nach und nach zu schätzen. Sie empfand es als erleichternd, weniger Sachen zu besitzen. «Je weniger man hat, umso weniger muss man aufräumen und sich um die Dinge kümmern. Weniger macht glücklich», sagt sie mit Begeisterung und Überzeugung. «Es macht komplett frei! Von mir aus könnte die Wohnung noch kleiner sein.»

 

Wenig Wohnraum in Anspruch zu nehmen, entspricht auch ihrer ökologischen Einstellung. Deshalb findet sie es gut, dass die Stiftung Habitat beim Umbau Re-Use-Elemente verwendet hat, zum Beispiel Küchengeräte, Spiegelschränke und die auffälligen blauen Fassadenelemente. Zu den vier Minimaisonettes gelangt man über eine Durchfahrt im Vorderhaus, sie befinden sich in einem umgebauten ehemaligen Werkstatthaus im Hinterhof.  

Krimis und Thriller

Wenn Greta nicht reist oder Möbel umbaut, schreibt sie Bücher. Ihre Genres sind der Krimi und der Thriller. Zurzeit ist sie in der letzten Phase einer Online-Ausbildung zur Romanautorin. «Wir lernen gerade, ein Exposé zu verfassen und Anschreiben für Verlage zu formulieren», erzählt sie. «Von der Ausbildung habe ich enorm viel profitiert: wie ich die Struktur aufbaue, wie ich Figuren zeichne und der Geschichte Tiefe gebe.» Ideen und Projekte hat sie viele, auch einige Entwürfe in der Schublade. Am liebsten würde sie vom Schreiben leben. Bis das klappt, wird sie weiter als Yogalehrerin und Lektorin für Spannungsliteratur arbeiten.

Dreiländerecken

Aufgewachsen ist Greta Harbrecht in Plauen im Vogtland (Sachsen, eh. DDR), bekannt für regional hergestellte Stickereierzeugnisse, die Plauener Spitzen. Sie sieht eine Parallele zu ihrem jetzigen Wohnort: «Das Vogtland ist auch ein Dreiländereck zwischen Sachsen, Franken und Tschechien.» In Sachsen studierte sie Informatik und Chemie bis und mit Vordiplom. Mit ihrem Mann wohnte sie an vielen Orten in Deutschland, auch mal in den Niederlanden, bis sein Beruf die beiden in die Schweiz führte. Seit 13 Jahren lebt Greta nun in Basel und will sich bald einbürgern lassen. Ihr superschnelles Hochdeutsch mit sächsischem Einschlag hat sie behalten.

Vier Maisonettes, vier Frauen

Zum ersten Mal wohnt sie jetzt im Kleinbasel. Sie freut sich auf die Nachbarschaft mit den drei Frauen in den Maisonettes, auf die erste Hausparty mit den Menschen im Vorderhaus und macht bereits in der Kompostgruppe mit. Mit ihrer Tinywohnung ist Greta Harbrecht sichtlich glücklich. «Es ist ruhig, Südseite, hat ein Gärtchen – was will ich mehr?»

 

Wohnhäuser Haltingerstrasse 80 und Sperrstrasse 91/91a mit Minimaisonettes im Hinterhof

Text

Claudia Bosshardt

wortgewandt.ch

 

Fotos

Michael Fritschi

foto-werk.ch

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